Wie Kitas auf spezifische Bedürfnisse von Jungen eingehen können
Limburg.- "Die Krise der kleinen Kerle": Unter dieser Überschrift hat die Diözesan-AG der katholischen Kitas (KTK) im Bistum Limburg einen Fachtag für Kita-Mitarbeitende angeboten. Mehr als 20 Teilnehmende konnten in der vergangenen Woche in Limburg zum einen den Vortrag von Erwin Germscheid, Leiter der Fachstelle Jungenarbeit Rheinland-Pfalz, folgen, zum anderen konnten sie sich austauschen und vernetzen. "Wir haben dieses Thema aufgrund konkreter Rückmeldungen aus der Praxis gewählt, die auf ein gestiegenes herausforderndes Verhalten von Jungen in den Kitas hindeuten", erklären die beiden zuständigen Referenten Petra Broo und Michael Skotzke vom Caritasverband für die Diözese Limburg e.V. Vor allem Jungen würden demnach häufiger durch grenzüberschreitendes Verhalten wahrgenommen. "Darauf aufbauend wollten wir die Jungs mit diesem Fachtag mehr in den Fokus nehmen", ergänzen Broo und Skotzke.
Der Hauptreferent des Tages Erwin Germscheid stellt seinen Betrachtungen voran, dass es weder "die Jungen" und "die Mädchen" gäbe. Geschlechtsrollenbilder und Chancengerechtigkeit beispielsweise hingen nicht nur vom Geschlecht an sich ab, sondern auch von der sozialen Herkunft, der Ethnizität, dem Gesundheitszustand, der Werteorientierung, dem Bildungshintergrund der Eltern und dem Wohnumfeld. Jungen seien aber schon lange nicht mehr "das starke Geschlecht", das belegt die höhere Krankheitsanfälligkeit von Jungen, die wesentlich höhere Selbstmordrate bis zum 30.Lebensjahr, sowie die höhere Anzahl von männlichen Schülern mit Förderbedarf in sozial-emotionaler Entwicklung. "Fazit ist also", so Germscheid, "Jungen machen scheinbar in Kita und Schule Probleme, aber sie haben auch welche".
In der Identitätsbildung und "Mannwerdung" haben Jungen noch oft recht traditionelle Rollenbilder vor Augen und zumindest in Einrichtungengen wie Kindertagesstätten und Grundschulen vor allem weibliche "Ansprechpartnerinnen"; denn nur 4,9 Prozent der pädagogischen Mitarbeiter in den Kitas sind männlich, in der Grundschule gibt es ebenfalls nur rund 10 Prozent männliche Lehrende. Laut Germscheid brauchen Jungen aber auch männliche Bezugspersonen. Germscheid wirbt dafür, die Bedürfnisse von Jungen besser wahrzunehmen und entsprechende Angebote in Kita und Grundschule zu gestalten. Als Beispiele führt er "Vater-Sohn-Tage", "Lesepaten: Jungs für Jungs" oder "Jungen-AGs" an.
Erwin Germscheid leitet die Fachstelle Jungenarbeit in Rheinland-Pfalz, die es seit 1998 gibt und die im Auftrag des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Familien, Frauen, Kultur und Integration arbeitet. Informationen zur Arbeit der Fachstelle gibt es unter www.fachstelle-jungenarbeit.de.