Mainz/Worms. Das kürzlich in Kraft getretene Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz, kurz GVWG, beinhaltet Veränderungen, die sowohl Pflegebedürftigen als auch Pflegekräften zu Gute kommen. Neben der Tarifbindung von Einrichtungen und Diensten erhalten Pflegekräfte mehr Entscheidungsbefugnisse.
Auch die Zuzahlung der Pflegeversicherung zur Entlastung von Pflegebedürftigen, die in einer stationären Einrichtung wohnen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Alte Menschen in ambulant betreuten Wohngemeinschaften sind jedoch finanziell benachteiligt, kritisiert der Wormser Caritasdirektor Lars Diemer und fordert die Politik zum Handeln auf.
Inwiefern sind Pflegebedürftige in Ambulanten Wohngemeinschaften benachteiligt?
Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen werden finanziell entlastet. Abhängig von der jeweiligen Wohndauer reduziert sich der so genannte Einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE) gestaffelt um zunächst 25, dann 45 und schließlich 70 Prozent. Das bedeutet, dass Bewohnerinnen und Bewohner je nach Einrichtung um einen Betrag von etwa 600 Euro pro Monat entlastet werden können. Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngemeinschaften hingegen können diese Zuschläge nach dem neuen Gesetz nicht von der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Somit sind sie finanziell schlechter gestellt.
Woran liegt das?
Leider sind die ambulant betreuten Wohngemeinschaften noch eine "Nischenwohnform" und auf Bundesebene wenig bekannt und beachtet. Auch in vielen Bundesländern sind sie nicht im Fokus der Politik. So blieben sie bei der Gesetzgebung außen vor. In Rheinland-Pfalz wurde die Gründung der trägerorganisierten Wohngemeinschaften in der Vergangenheit begrüßt und wir erleben diese Wohnform als einen Erfolg. In Hessen wird aktuell eine Handlungsrichtlinie für trägerorganisierte Wohngemeinschaften mit dem Land erarbeitet. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Wohnform auch in Hessen etabliert.
Was muss nun geschehen?
Wir fordern die Politik auf, auch Pflegebedürftige in Wohngemeinschaften finanziell zu entlasten, beispielsweise über eine deutliche Anhebung des Wohngruppenzuschlags. Auch müssen bürokratische Hürden abgebaut und die Wohnformen bei künftigen Gesetzgebungsprozessen berücksichtigt werden. Grundsätzlich müssen wir Entscheidungsträger stärker für diese Wohnform der Zukunft sensibilisieren.
Was macht die Wohngemeinschaften besonders?
Wir wünschen uns insgesamt eine Vielfalt an Wohnformen und Betreuungsmöglichkeiten, die auch der Vielfalt der Bedürfnisse älterer Menschen gerecht wird. Die ambulante Wohngemeinschaft ist eine davon, und sie bietet Pflegebedürftigen große Vorteile. In Wohngruppen mit bis zu zwölf Bewohnerinnen und Bewohnern können Pflege, Betreuung und Versorgung auf individuelle Bedürfnisse angepasst werden. In einem Haus können zwei Wohngruppen Platz finden, d.h. 24 Menschen finden dort ihr Zuhause. In den sieben Wohngemeinschaften des Caritasverbands Worms zum Beispiel leben viele demenzerkrankte Menschen. Räume, Personal und Betreuung sind besonders auf ihren Bedarf eingestellt. Ein wichtiges Merkmal von Wohngemeinschaften ist außerdem die Stärkung von Selbständigkeit und Teilhabe am Gemeinschaftsleben sowie eine enge Anbindung ins Quartier, aus dem die meisten Menschen ja stammen.
Interview: Caritasverband für die Diözese Mainz